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Warum die eigene Community das Early Access System zerstört

Immer verbreiteter bieten kleine Entwicklerstudios ihre Spiele schon vor der Veröffentlichung an, sodass Spieler aktiv an der Finanzierung und auch am Design mitwirken können. Early Access. Früher Zugang. Die Spieler dürfen das Spiel bereits spielen, während es noch entwickelt und verändert wird. So können sie frühzeitig Fehler feststellen oder Änderungsvorschläge machen. Die Indie Studios haben eine Geldquelle, um sich von Publishern unabhängig zu machen und die Spielerschar darf direkt loswirken und hat zusätzlich Mitspracherecht.
Doch funktioniert dies auch außerhalb der Theorie?

Zunächst: Was ist Early Access?

Erstmals weit bekannt wurde dieses System durch das Spiel Minecraft, das sich schnell aus einer Free to Play Programmierübung, zu einem komplexen Game entwickelte, welches man bereits in seiner Alpha Version erwerben konnte, wenn man zehn Euro an die Entwickler zahlte. Später in der Beta 15,- Euro. Niemand störte sich daran. Alle waren begeistert und fasziniert, zum einen von der neuartigen Spieleidee, zum anderen, dass man live dabei sein konnte, um zu sehen, wie sich das Spiel entwickelte.
Seit seiner ersten Veröffentlichung hatte sich der Umfang von Minecraft vervielfacht. Selbst davor galt es bereits als brilliantes Kreativ-Game.
Nun griff Steam die Idee auf. Warum nicht noch mehr Indie Entwicklern eine Plattform bieten? Warum nicht nur die Plattform für fast alle AAA Titel sondern auch die Seite für bahnbrechende Neuigkeiten sein?
Also wurde Greenlight ins Leben gerufen. Die Community durfte für Projekte abstimmen, die Besten wurden von Steam ausgewählt und zu den Entwicklern Kontakt aufgenommen.
Dann wurde die Kategorie Early Access eingeführt. Spiele, die großes Potential besitzen, jedoch nicht auf eigenen Füßen stehen und bis zur Veröffentlichung durchhalten können. Kleine Entwicklerteams, welche auf ihre Community bauen müssen.
Jedoch schien nicht jedes Spiel ein neues Minecraft werden zu können. Die Foren der Spiele füllten sich schnell, zunächst mit Anmerkungen, dann mit Kritik, schließlich mit infantilen Heul- und Rage-Threads. Natürlich darf man nicht das Verhältnis an Forentrollen außer Acht lassen. Doch auch die eigentlich gemäßigten User schienen plötzlich zu panischem Verhalten zu neigen. Wird das Spiel wirklich was? Wirkt jede Version verbuggter? Warum sieht das Spiel immer noch so hässlich aus?

Schauen wir über die bekannte Reihe von Early Access Titeln ähnlichen Stils wie Starbound, Cubeworld, Space Engineers und Starforge.

 

Starforge stieg auf wie eine Rakete und punktete mit einer phänomenalen Physikengine, frei modelierbarer Landschaft und einer schier endlos begehbaren Welt, bis in den Weltraum.
Schnell jedoch versandete die Stimmung um das Game wieder. Patches ließen auf sich warten, Performance- und Bugprobleme plagten das Spiel und Features, welche lang angekündigt wurden oder gar bereits veröffentlicht waren, wurden wieder entfernt.
Das Spiel schien zu stagnieren, bis schließlich öffentlich davor gewarnt wurde, es zu kaufen.

 

Cubeworld…war plötzlich einfach da. Ich hatte zuvor nie von gehört, und von einem Tag auf den anderen sprach plötzlich jeder darüber. Jeder kannte es plötzlich. Jeder spielte es plötzlich.
Das Spiel bestand aus einer Welt, die (ähnlich wie Minecraft) nur auf Zahlen beruhte. Die Landschaften waren zufallsgeneriert, die Städte, die NPCs, sogar die Quests. Dazu ein aufwendiges kreatives Reisesystem.
Aber nach gefühlt zwei, drei Patchs und wenigen Monaten war schlagartig Schluss. Die Hersteller des Spiels hatten sich bereits seit Wochen nicht mehr gemeldet. Niemand wusste, ob die Hersteller aufgegeben hatten, oder gar mit dem Geld (viele tausend Menschen hatten das Spiel für umgerechnet 20 Euro gekauft) komplett ins Ausland verschwunden waren.
Nach vielen Wochen die erste neue Meldung. Sinngemäß: „Wir sind noch da. Sind in eine größere Wohnung gezogen. Machen nun weiter.“
Nein. Der Hype war vorbei. Ein Entwicklerteam bestehend aus einem Ehepaar, mit der größten Indie Idee seit Minecraft, scheiterten daran, dass ihnen ihre Fans egal waren. Heute kräht kein Hahn mehr danach. Ob der neue angekündigte Patch das ändern wird? Wohl kaum, denn er bringt nur Änderungen in der Landschaft und in der Variation der Quests, die fehlende Spieltiefe bleibt vorhanden.
Ich möchte noch einmal klarstellen: Es gibt eine große Menge an arbeitslosen Programmierern und Designern, die morden würden, um nur wenigstens Teilhaber eines solchen Projektes werden zu können.

 

Space Engineers, das Spiel durfte ich nun auch antesten. Es ist der größte Physikmodellbaukasten, den ich je sehen durfte. Es steht ein Weltraumareal zur Verfügung, in dem man nach Gutdünken Raumschiffe entwerfen kann, wobei luftleerer Raum, Gravitation, Stabilisierung und jegliches anderes physikalische Problem bedacht werden muss. Es sieht grafisch schlicht aber in der engine überwältigend aufwendig aus. Und es ist immer noch in einer frühen Testphase.
Doch schon bei Veröffentlichung wurde dem Entwicklerteam der Untergang vorhergesagt. Sie hatten bereits früher ein Spiel entwickelt, welches ebenfalls auf Steam zur Verfügung stand. Ebenfalls ein Weltraumspiel, das Wort Ähnlichkeit wäre völlig untertrieben in diesem Fall.
Worum das Spiel handelt, kann ich nicht wirklich sagen. Es war damals so unspielbar, durch Bugs, wie auch durch schlechtes Gameplay, dass wir im Coop nicht über das erste Level hinauskamen.
Aus einem Bericht war zu entnehmen, dass nur 50% der Spieler gelang, eine Verbindung zu ihrem Coop Partner aufnehmen zu können.
Kann man so einer Firma nun solch ein Mammutprojekt zutrauen? Dass aus dem Modellbaukasten ein fertiges Spiel mit Handlung und Gameplay, wie Kampf und Rohstoffe sammeln wird? Verspieltes Vertrauen ist schwer zurückzugewinnen.

 

Starbound ist eine weitere Hype Rakete, welche ihren Weg von Indie Plattformen, wie Humble Bundle, zu Steam gefunden hatte.
Plötzlich war es da, hatte über 30.000 Spieler pro Stunde und war Top Gesprächsthema. Da wurde ich stutzig. Was ist dieses Spiel, das so verdächtig nach Terraria (ein weiteres 2D Sandbox Game) aussieht? Also, nach längerem Zögern, besorgte ich mir das Spiel und testete es.
Ich war überrascht. Zwar besitzt dieses Spiel eine steile Lernkurve (man verbringt die erste halbe Stunde mit einer Menge Tode, die andere halbe Stunde mit der Frage, was man als nächstes tun muss zum Überleben), aber allein durch seine Detailverliebtheit, seine Features, die all das Ausbügeln, was mich an Terraria störte, konnte mich dieses Spiel stundenlang fesseln. Ein (für meine Begriffe) schnelles Spiel bis in die höchste Schwierigkeitszone dauerte für mich 30 bis 40 Stunden. Das ist viel Zeit für ein Spiel, das 15 Euro gekostet hatte. Und noch immer glaube ich, dass ich nicht alles gesehen habe, was dieses Spiel einem an Landschaften und Begebenheiten entgegenwerfen kann.
Dazu: Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt erst 2 Wochen für die Öffentlichkeit zugänglich und befindet sich in Phase 1 von 3 der Alpha. Das lässt tief Blicken. Offenbar hat das Entwicklerteam noch immer großes vor.
Als ich nun jedoch in die Foren blickte, sah ich ein Schlachtfeld. Das Spiel sei ein Desaster, die Entwickler unfähig und das Projekt würde mehr Rückschritte als Fortschritte machen.
Dann noch eine große Anzahl Threads über das Thema „Patchs und warum sie regelmäßig sämtliche Savegames zerstören“, in in einer Art, wo ich nicht wusste, ob ich mehr über den herrschenden Ton oder über die grauenvolle Rechtschreibung weinen soll.
Anmerkung: Wenn man das Spiel kauft, steht eine große Warnung darunter: Achtung, das Spiel befindet sich in einer sehr frühen und unstabilen Version. Es kann zu Bugs, Abstürzen und Wipes kommen. usw.
Und wisst ihr was? Dasselbe steht im Startmenü des Spiels! Gut dreimal so groß wie der Startbutton selbst!
Aber generell sind die Foren dieser Spiele eine Mischung aus Kindergarten, Selbsthilfegruppe und Fleischwolf.
Die Anschuldigungen gehen von simplen Beschwerden über Probleme, bis hin zu wüsten Verschwörungstheorien „Das Spiel ist ein Scam und die Entwickler geben es innerhalb der nächsten Woche auf und hauen mit dem Geld ab.“ In jedem Spiel. Ohne Ausnahme.
Warum lief Minecraft so vergleichsweise zivilisiert ab? Es gab die großen Shitstorms zum vergeigten Adventure Update und dem Einführen des Endermans, aber selbst diese liefen nie so sehr aus dem Ruder.

 

Das Problem ist die Art des Angebots: Die (meist jungen) Leute gehen auf Steam und sind gewöhnt, dass ein Spiel funktioniert, wenn man es über Steam kauft (außer, wenn EA draufsteht) und dass sie nichts durchlesen, sondern nur brav Häkchen anklicken müssen.
Plötzlich sind da so komische Spiele, die den Titel „Early Access“ tragen. Was ist denn das? Oh, alle spielen es, also kauf ich es mir auch, wird so gut sein, wie der Name klingt. „Oh, nach dem Start kommt man in ein verbugtes Hauptmenü, in ein noch verbugteres Game, das nach 5 Minuten immer abstürzt“ (War for the Overworld, Bedrock Beta).
Sie verstehen nicht, dass sie kein Spiel kaufen, sondern den Entwicklern einen Vorschuss geben, von denen sie das Spiel finanzieren können. Wie Kickstarter. Nur dass man bereits das Spiel von Anfang an testen kann, egal wie weit es ist.
Ihr seid Tester, nicht Spieler!
Wie? Das gefällt euch nicht? Warum habt ihr dann an den Warnhinweisen vorbeigescrollt und auf Kaufen geklickt?
Spiele in der Alpha sehen grafisch besch…eiden aus, das ist normal. Der Feinschliff ist meist eine Aufgabe, die ganz zum Schluss angegangen wird. Ist auch für jeden einleuchtend, oder?
Spiele in der Alpha sind instabil. Regt euch nicht auf, dass es nach 2 Stunden ohne Vorwarnung abstürzt, dankt dafür, dass es einen Tag sauber lief.
Spiele in der Alpha haben kaum Inhalt. Ergibt Sinn, oder? Deshalb heißt es Alpha, oder?

 

Das Problem der Indie Entwickler ist fehlende PR und Marketing. Minecrafts geistiger Vater Notch benutzte Twitter und andere social medias, um die Welt an jedem kleinsten Schritt der Entwicklung teilhaben lassen zu können. Es bestand nie die Frage nach einem Versagen des Projekts oder der Unfähigkeit der Entwickler. Jeder fieberte mit, wie sich das Spiel entwickelte.
Doch nun ist der Lack der Mini Entwickler Studios ab. Es wurde kommerzialisiert und in feste Bahnen gezwängt.
Nun gibt es keine Fanfamilie mehr, die bei jedem Schritt der Geburt die Hand hält.
Nun sitzen ungeduldige Kunden vor ihren Rechnern, die erwarten, dass das Projekt am besten gestern abgeschlossen wird. Das bisschen Programmierarbeit kann keine große Sache sein.
Indie Entwicklungen hatten den Sinn, keinen Publisher im Nacken sitzen zu haben, in Ruhe arbeiten und entwickeln zu können und einen engen Draht zu denen zu besitzen, die das Produkt letztendlich haben wollen.
Doch nun sind die Kunden die Publisher geworden. Sie haben Geld dafür gezahlt und wollen nun ein Produkt. Oder ihr Geld zurück.
Eine Spieleentwicklung kostet Zeit. Als die Entwicklung von Half Life begann und erste Aufnahmen geleakt wurden…die Texturen schienen aus Paint zu sein und die NPCs sahen aus wie Handpuppen, und bewegten sich sogar so plump. Das lag an der alten Engine, welche sich aus der Quake Engine ableitete. Grauenhaft. Hätte man voraussehen können, dass sich die erste bahnbrechende 3D Engine aus dem Hause Valve daraus entwickeln würde? Man kann ein Spiel nicht nach seinem Entwicklungsstand beurteilen.
Wird jedoch getan. Ein Entwicklerstudio klagte einmal vor Jahren, dass frühe Videos der Alpha Version dem Image schaden würden, da Kunden annähmen würden, dass das fertige Spiel ebenfalls so aussehen würde. Tech-Demonstrationen verschwanden von Games-Conventions. Zurück blieb eine stumpfe Effekthascherei, Werbung und Vorstellung von Spielen, die sowieso in wenigen Monaten veröffentlicht werden.
Es ist generell so, dass Menschen, die keine Ahnung von einem Thema haben, trotzdem am meisten darüber reden, Kritik üben und sich im Recht fühlen.
War for the Overworld befindet sich immer noch auf Steam in der sogenannten Bedrock Beta. Nach Einführung von Beleuchtung, hochauflösender Grafik und Animation der NPCs sieht das Spiel plötzlich wie ein vielversprechender Newcomer aus. Nötig waren die Polierungen so früh in der Entwicklung nicht. Es war nur um zu zeigen „Wir können, und nun seht ihr, dass wir können.“ Das Spiel wird weiter seinen Weg nehmen. Der Release Termin hat sich um ein ganzes Jahr verschoben. Dennoch wird das Spiel fertig werden. Egal wie penetrant gedrängt wird. Denn dies beschleunigt nur den Verbrauch der Nerven der Programmierer.

Early Access ist kein Kauf eines Spiels. Es ist das Anlegen einer Aktie. Ein Kundtun von Solidarität. Wenn man Glück hat, bekommt man so ein Spiel zur Hälfte des Endpreises. Wenn man Pech hat, ist es eine hilfreiche Lehre.

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