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Anyas Geist – Rezension

Anyas GeistAnya hat es schon schwer: zu Hause nerven der kleine Bruder und die Mutter, auf der High-School entpuppt sich ihr großer Schwarm als ein Riesenarschloch und mit ihrer einzigen Freundin hat sie sich auch noch verkracht. Dazu kommen ihre – wie sie findet – viel zu dicken Oberschenkel und für die nächste Klassenarbeit hat sie obendrein auch keine Lust zum üben. Alles scheint sich zu ändern, als sich ihr nach einem Unfall der Geist eines vor über hundert Jahren verstorbenen Mädchens anschließt. Mit Hilfe dieser Spukgestalt scheint plötzlich alles aufregender und interessanter zu werden. Doch bald schon bemerkt Anya, dass das Gespenst mehr und mehr Einfluss auf sie nimmt und sich zu einer echten Gefahr entwickelt.

Schon das gelungene Cover mit dem Kopf der genervt dreinschauenden Anya, deren Haarpracht aus dem Bild zu entwachsen scheint und ihre unheimliche Begleiterin verbirgt, gefällt enorm und erwecket Lust auf die spannende Spuk- und Entwicklungsstory, die auf den folgenden -224 -Seiten erzählt wird. Anya, die Protagonistin der Geschichte, ist ein Mädchen auf der Entwicklungsschwelle von der Kindheit zu einen neuen Lebensabschnitt: Die Pubertät als die Zeit von großen Veränderungen. Die Heranwachsende wird sich in dieser Phase zunehmend selber fremd, gleichzeitig wird sie sich jedoch ihrer Umgebung immer bewusster, was mit einer großen Unsicherheit einhergeht. Sie wird immer mehr von außen beeinflusst. War vorher die Mutter maßgebliche Person für die Identifikation, werden es mehr und mehr die Mitschüler und das andere Geschlecht – und in Anyas Fall zusätzlich der Geist eines vor einem Jahrhundert verstorbenen, gleichaltrigen Mädchens. Ganz offensichtlich lässt die russisch-stämmige Autorin Vera Brosgol dabei noch autobiografische Elemente in dieser Story einfließen, gewährt einen Einblick in die Probleme der Kinder von Einwanderungsfamilien. Diese an sich schon sehr interessante Thematik verbindet sich im Laufe der Geschichte mehr und mehr mit einer (fast jugendfreien) Schauergeschichte.

Am Ende der Geschichte stehen dann auch persönliche Veränderungen und Einsichten bei Anya an. Unter anderem bleibt ihre auch eine Erkenntnis über den Umgang mit dem persönlichen Schicksal. Anyas Geist beweist daher durchaus Scharfsinn, Charme und Witz und zeigt ein gehöriges Maß von Selbstreflektion einer inzwischen dreißig Jahre alten Autorin, die gleichzeitig auch für das Artwork verantwortlich ist. Ihre grafische Umsetzung orientiert sich dabei an Cartoon und Funnys, ähnlich wie es z.B. in Marzenna Sowas „Marzi“ oder Raina Telgemeiers „Smile“ zu sehen ist. Eine Detailverliebtheit wird man also vergeblich suchen, hier regiert der einfache Strich, um in den Mimiken und Stimmungen in den Gesichtern darzustellen.

Fazit: Anyas Geist wandert gekonnt auf dem schmalen Grad zwischen der Beschreibung eines kindlichen Reifeprozesses und eines gruseligen Schauergeschichte. Eine spannende Graphic Novel, die im Grunde von der ganzen Familie gelesen werden und mit 14,95 Euro (HC, 224 Seiten) nicht zu teuer ausgefallen ist.

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