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V wie Vendetta: Der Kult-Comic zum Film – Rezension

V wie Vendetta - Der Kult-Comic zum FilmNach einer atomaren Katastrophe irgendwann in der nahen Zukunft wird Großbritannien von einem faschistoiden Regime beherrscht. Militär, Polizei und Sicherheitsbehörden sind allgegenwärtig. Die wenigen Kritiker sind längst verstummt, eingeschüchtert oder getötet. Das gegängelte Volk hat sich seinem Schicksal längst unterworfen. Es hat sich mit der ständigen Kontrolle arrangiert oder ist in Lethargie verfallen, während die herrschende Klasse bestrebt ist, ihre Macht immer mehr auszubauen. Doch eines Tages tritt der mit einer grotesken Gesichtsmaske verhüllte V auf. Durch eine Politik der gewaltsamen – aber auch aufrüttelnden – Nadelstiche versucht er dieses System zu unterwandern.

Immer wenn ich diese Maske von V irgendwo sehe, fällt mir eine Anekdote aus der Lokalpolitik in Oldenburg ein: Vor etwa fünf Jahren stürmte eine Gruppe von jungen Leuten mit dieser Maske vor dem Gesicht eine Begrüßungsrede des Bürgermeisters für neue, aus anderen Städten zugezogene Bürger. Die maskierten Eindringlinge drückten dem Oberbürgermeister eine Sahnetorte ins Gesicht und verschwanden unerkannt in der Dunkelheit des Novemberabends. Trotz intensiver Ermittlungen wurden sie nie gefasst.

Ich habe mich so manches Mal gefragt, wen die Tortenwerfer zum Vorbild ihrer anarchistischen Umtriebe genommen haben. War es wohl tatsächlich V, der aus der Feder des genialen Comicautors Alan Moore stammt? Wer weiß, jedenfalls hätte V hier in Oldenburg jedoch ganz sicher keine Sahne als Waffe gewählt, sondern Sprengstoff. Alan Moores Figur des V ist rücksichtslos in seinen Mitteln, sieht – wohl aufgrund seiner Vergangenheit – nur den Weg der Gewalt, des Chaos und der Anarchie, um das herrschende System zu stürzen, wofür ihm jedes Mittel recht ist. Dabei geht es ihm interessanterweise nicht nur darum, der totalitären Regierung direkt zu schaden, sondern vielmehr will er das Volk wachzurütteln. Er gibt den passiven Menschen eine Richtung vor, sich aus dem Dilemma selbst zu befreien. Es soll seine Souveränität eigenständig zurückgewinnen, das Handeln selbst übernehmen und unerreichbar für jede Art von Unterdrückung, Lüge, Propaganda und Einschüchterung werden.

Interessierte seien gewarnt: die fast 300 Seiten lesen sich nicht nur aufgrund seines komplexen und verschachtelten Inhalts, sowie der sehr gut charakterisierten Figuren sehr langsam. Vieles erklärt sich nur indirekt und regt wegen der oftmals sehr symbolischen Sprache und Texte von Alan Moore sehr zum Mitdenken an. Die ungewöhnliche Zeichenarbeit des englischen Comickünstlers David Lloyd befremdete mich zunächst, und bereitete anfangs tatsächlich einige Probleme. Die in ordentlicher Aufteilung angeordneten Panels erinnern dabei irgendwie an die Negative von Fotos, in denen nur ausgewählte Flächen coloriert sind. Fast war es so als wenn man in einem Fotoalbum mit eingeklebten Negativen blättern würde, in dem man das triste Gegenstück eines Lebens in einer freien, selbstbestimmten Gesellschaft verfolgt. Auf den Punkt gebracht: die Zeichnungen stellen die beklemmende Wirklichkeit einer faschistoiden Gesellschaft ohne Kultur, Freiheit und Humanität genial dar.

V wie Vendetta zeigt nicht nur auf, wie Macht durch Manipulation funktioniert, sondern weist mit einem mahnenden Finger auch auf ein zu passives Volk, das sich davon nur zu gern lenken lässt. Wie ist es zu dem gekommen und wer ist Schuld? Sind es tatsächlich nur die Herrscher da oben, oder sind wir es, die es in unserer Bequemlichkeit und Unfähigkeit auch zulassen? Um eine Antwort zu finden sollte man in den Spiegel sehen. V hat es eines Tages vielleicht getan, dabei wohl an Oskar Wilde gedacht und sich dessen Behauptung zu Herzen genommen: „Gib dem Menschen eine Maske, und er sagt die Wahrheit!“.

Fazit: Eine Graphic Novel, die viel Aufmerksamkeit verlangt, dafür aber viel zu sagen hat.

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